11 Juli 2007

Gefährlich?

Können Hausbesuche für den hausärztlichen Notarzt gefährlich werden? Kann man kleine Ärztinnen nachts losschicken? Warum wird dem Arzt manchmal mulmig zumute?

Da war zum Beispiel der Hausbesuch letzte Woche. Schäbiges Hochhaus, fünfter Stock, die Wohnungstür angelehnt. Keine Antwort von drinnen. Chaos, Unordnung und Verwesung schon im Flur der Wohnung. Leere Zwei-Liter-Weinflaschen überall. Wirklich überall. Verdrecktes Geschirr türmte sich in der Küche. Halbleere Pizzakartons. Schimmelteppiche. Der kräftige Russe lag delirant im Nebenzimmer. Aber bevor der Arzt sich um ihn kümmerte durchsuchte er den Rest der Wohnung. Gefasst auf alles, was dort noch lauern könnte.

Da war zum Beispiel das Fixerpaar mit dem Hund. Verwahrloste Wohnung ohne Möbel. Kalter, alter Tabakrauch. Schmierige, trübe Fensterscheiben. Er machte auf schwer krank und entzugig. Wollte Benzodiazepine. Die beiden wurden frech und fordernd als der Arzt ihnen nichts glaubte. Wollten selbst nachsehen, was im Koffer sei. Hätten die Rezeptformulare sicher gerne an sich genommen. Wie wäre eine Rangelei ausgegangen? Wäre mit infizierten Spritzennadeln gedroht worden?

Da waren zum Beispiel immer wieder südländische Männer, die gegen ihre Befindlichkeitsstörungen Spritzen haben wollten aber nur guten Rat bekamen. Den sie nicht verstanden. Auch die wurden schon fordernd. Besonders wenn sie auch noch zehn Euro zahlen müssen.

Da sind zum Beispiel immer wieder überforderte Angehörige von Pflegefällen, denen der Arzt nicht den Gefallen einer Krankenhauseinweisung tun kann.

Und da sind immer wieder große Hunde, verkommene Gebäude, dunkle Flure, unzufriedene Patienten oder Angehörige, gewalttätige Alkoholiker.

Sicher, der Rettungsdienst bringt immer wieder gefährliche Situationen, auf Autobahnen, Baustellen, in Fabriken. Aber der hausärztliche Notdienst ist dafür immer alleine. Unten auf der Straße wartet eine Taxifahrerin. Und ein prallgefüllter Arztkoffer, die dicke Formularmappe mit Rezepten sowie die gesammelten Praxisgebühren eines Tages könnten Begehrlichkeiten wecken.

Ja, Hausbesuche können gefährlich werden. Ja, kleine Ärztinnen sind nachts gefährdeter.

Der Arzt trifft folgende Vorsichtsmaßnahmen: Immer Licht dabei haben. Immer den Rückweg merken. Niemals der Bitte folgen, die Schuhe auf der Schwelle auszuziehen. Niemals eine Wohnung betreten, in der sich ein größerer Hund frei bewegt.

Aber vor allem: Sicher sein, das Richtige zu tun.


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3 Comments:

At 30 Januar, 2009 04:15, Anonymous Anonym said...

Totto und Harry sind da recht schlau - auch wenn durchaus mal Sondennahrung mit einer Infusion verwechselt und an den ZentralenVenenKatheter* angeschlossen wird ("Das ist wichtig für Sie" - der entlaufene Pat. wehrt sich aggresivst dagegen - und wird auf eine forensische Abt. gebracht).

Wenn diese Polizisten ein Haus betreten, wird die Eingangstüre sperrangelweit offen verkeilt - nicht nur um Gerüchen der Verwesung oder Verwarosung zu entgehen (was einen "erfahrenen" Arzt nicht schocken kann), sondern auch damit die Verstärkung, ob SEK, Bereitschaftspolizei oder eben auch RTW/NEF-Besatzung, im Notfall einfach durchrennen können.

Das sollte man "kleinen Ärztinen" (aber durchaus auch "ausgewachsenen" LNAs^^ - Junkees auf Entzug zertrümmern auch mal eben eine ganze Polizeistation mit ihrem Kopf) einbläuen - und auch, was eine frische Ampule Morphium, im Gegensatz zu gestrecktem, verdeckten Heroin auf dem "Markt" wert ist - dass wissen die "Patienten" in ihrem akut abklingenden Substitutionsnebel Sonntagsmorgens um 4 Uhr zum Glück für den Diensthabend auch nicht...

So far.
der Canditatus Medicus

* zur Entlasstung von Toto und Harry: Bei PVZ, ZVK, PEG, PDK, ICZ, DK und AZ kann man als Laie durchaus mal den falschen Schlauch erwischen - rotes Kabel, gelbes Kabel oder Grünes? Fast wie Bombe entschärfen^^

 
At 14 April, 2009 17:45, Anonymous Anonym said...

Toto und Harry sind ja schon mal zu zweit. Der Arzt ist alleine. Und wenn der die Eingangstüre offen verkeilen würde und jedermann könnte ins Haus spazieren... Na, was würden da die Nachbarn sagen?

 
At 02 Januar, 2010 19:51, Anonymous Sebastian Littmann said...

Ein sehr schön formulierter Artikel, wenn auch schon etwas älter. Ich persönlich habe ehrlich gesagt über diese Seite noch nie nachgedacht und offen gesagt schockiert wie unbeleuchtet solche Szenarien heut zu Tage immernoch sind.

 

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